Hans Beimler – Ein Lebensweg

 

Von Antonia Stern[1]

 

„Hart war´s, aber schön – solange man kämpfen kann.“

(Aus einer kurzen Selbstbiographie Beimlers vom Jahre 1936)

 

Diese Worte Hans Beimlers können als Motto seines Lebens gelten. Über seine früheste Kindheit und Jugend heißt es in seinem kurzen Lebenslauf:[2]

„...Geboren wurde ich auch einmal, und zwar am 2.Juli 1895 in München. Da meine Mutter eine ledige Köchin war, wurde ich mit drei Wochen meinen Großeltern, einer Schlossermeisterfamilie in Waldthurn, einem kleinen Marktflecken in der Oberpfalz, übergeben. In diesem Winkel, wo die Bevölkerung so gut katholisch wie die Not groß war, lebte ich bis zu meinem 16.Jahr. Selbstverständlich durfte ich kein Konditor werden, wenn alle meine `männlichen´ Verwandten bis zum Urgroßvater Schlosser waren. Ich wurde also auch Schlosser.“ [3]

 

Nach der Gesellenprüfung lernte der Sechzehnjährige auf der Wanderschaft Land und Leute kennen und ließ sich schließlich in München nieder. Dort trat er 1913 dem Deutschen Metallarbeiterverband bei, dessen Mitglied er war, bis er 1927 wegen oppositioneller Bestrebungen ausgeschlossen wurde. In den Konjunkturjahren vor dem ersten Weltkrieg arbeitete er in der Münchner Rüstungsindustrie und später auf einer Hamburger Werft. Über seine Einziehung bei Ausbruch des Krieges 1914 schreibt er in seinem Lebenslauf: „Meine Kriegsbegeisterung war nicht allzu groß, da ich zur terminmäßigen Meldung zu spät kam.“

 

Er wurde als Minensucher ausgebildet, zunächst einer Flottille in der Ostsee und gegen Kriegsende einem Kommando in der Nordsee zugeteilt. Dort erreichte ihn die Nachricht von der russischen Oktober-Revolution 1917 – das „ungeheuerste und tiefgreifendste Erlebnis“ seines Lebens, das seinen weiteren Weg bestimmte. Zur Zeit der deutschen Revolution im November 1918 war Beimler in Cuxhaven stationiert; schon am 5.November veranstaltete er mit Kameraden der im Hafen liegenden Schiffe eine revolutionäre Demonstration. Er wird in die Leitung der örtlichen Spartakusgruppe gewählt und ist Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates. Bei Ausrufung der bayerischen Räterepublik war er in München, um nach deren Niederwerfung als Matrose der Roten Armee vorübergehend verhaftet zu werden.

 

Der Versuch einer Brückensprengung, mit der er 1921 den Transport bayerischer Truppen in das sächsische Aufstandsgebiet verhindert wollte, trug ihm zwei Jahre Haft in der Festung Niederschönenfeld ein.[4] Nach seiner Freilassung arbeitete er in der Lokomotivfabrik Krauss-München-Sendling. Mit seinem starken Einfluss auf die dortige Arbeiterschaft begann sein politischer Aufstieg. Er wurde 1930 kommunistischer Landtagsabgeordneter, 1932 Reichstagsabgeordneter und erhielt noch bei den Märzwahlen nach Hitlers Machtantritt 60.000 Stimmen in München-Oberbayern.[5]

 

Nach dem Reichstagsbrand hielt sich Beimler einige Wochen verborgen. Doch seine geheimen „Treffs“ mit Genossen wurden von einem der Beteiligten verraten, und über das Münchner Polizeipräsidium musste er seinen Weg in das Konzentrationslager Dachau antreten.[6] Über das Martyrium, dem die KZ-Häftlinge ausgesetzt waren, berichtet seine Broschüre: „Im Mörderlager Dachau“, die 1935 in Moskau erschien. Auf den letzten Seiten ist dort zu lesen:

 

„So wie Fritz Dressel wollte ich nicht sterben.[7] Als die Mörder mich in die Zelle `vier´ geworfen hatten und ich vor mir den tote Freund und Revolutionär, den linken Arm mit den drei Schnitten am Handgelenk überquert, daneben das Brotmesser auf dem Boden liegen sah, stand mit für einen Augenblick der Verstand still, eben unfähig zu erkennen, was das zu bedeuten hat. Mit den Händen vor den Augen wollte ich nicht wahrhaben, dass Dressel tot ist. Als dann der Schlüssel zum Öffnen der Totenzelle angesetzt wurde, und ich mit meinem endgültigen Schluss in der gleichen Zelle rechnen musste, da hatte ich auch schon wieder Kraft genug, allem was da kommen mag, ins Auge zu sehe. Die Tatsache, dass ich mir der allergrößten Wahrscheinlichkeit das Lager nicht mehr lebendig verlassen werde, ließ mir nur die Wahl wie ich sterben wollte. Für mich stand aber unumstößlich fest, dass ich erstens auf keinen Fall Hand an mich legen und dass ich mich zweitens nicht grausam in dem finsteren Dreckloch erwürgen und eventuell aufhängen lassen werde, so dass ich mich entschied, auf jeden Fall in der Nacht auszubrechen, und wenn mich die Bande dabei erwischt, ... die Außenwelt dann durch die Mörder selbst erfahren muss, dass `der Kommunist Beimler auf der Flucht erschossen wurde´. So bereitete ich mich darauf vor. Ohne Erregung `verließ´ ich in der Nacht vom 8. auf den 9.Mai die Zelle, um jeden Augenblick die Kugel zu erwarten.“

 

Die tollkühne Flucht gelang. Beimler bewerkstelligte sie allein, ohne jede Hilfe von außen. Seine Mittel waren die handwerkliche Geschicklichkeit des Schlossers, seine Kaltblütigkeit und seine mutige Entschlossenheit, die ihn trotz des gemarterten und blutig geschlagenen Körpers das Unwahrscheinliche vollbringen ließen. Nach gefahrvollen Wochen des Verstecktseins konnte Hans Beimler die tschechoslowakische Grenze überschreiten.

 

Nachdem er einer Einladung aus der Sowjetunion zu einem Aufenthalt in einem Sanatorium der Krim gefolgt war, drängte es ihn zurück, seinem Land näher zu sein, den Kampf gegen den Nationalsozialismus erneut aufzunehmen, der zugleich der Befreiung der Opfer in den Konzentrationslagern galt, zu denen auch Beimlers Frau Centa und deren Schwester Maria gehörten, die für ihn seit seiner Flucht als Geiseln festgenommen waren.[8] Am 20.Dezember 1933 traf er mit einem Moskauer Flugzeug in Paris ein. Selbst zum rückhaltlosen Einsatz bereit, war er um so tiefer enttäuscht über die Gleichgültigkeit, mit der die maßgebenden Parteiinstanzen seine Vorschläge aufnahmen. In einem Bericht Beimlers vom 9.Februar 1934 an das Emigrantenbüro der Internationalen Roten Hilfe heißt es darüber:

 

„... Wir schreiben heute den 9.Februar und die Rote Hilfe hat bis heute keine einzige Versammlung in Paris organisiert. ... Es ist alles beim alten geblieben ... und ich habe weiter gewartet ... Unter dem Vorwand, dass die Arbeiter ` versammlungsmüde´ seien oder weil `kein Dolmetscher zu finden ist´ ... werden Versammlungen nicht durchgeführt ...  Ich muss erklären, dass man wohl auch jetzt wieder versucht, die Schlamperei auf mich abzuwälzen ... Ich soll der Sündenbock sein..“ Der Bericht gipfelt in der Anklage, dass das Emigrantenbüro außer allgemeinen Redensarten nichts unternommen habe und damit der Zweck seiner Reise, etwas für die Rote Hilfe oder im Kampf gegen den Hitlerterror zu erreichen, ergebnislos geblieben sei.

 

Die gespannten Beziehungen Beimlers zu der Parteibürokratie sollten sich fortsetzen, als der im Frühjahr 1935 in Zürich die Leitung der „Roten Hilfe für das illegale Deutschland“ übernahm.[9] Dieser im wesentlichen karitativen Tätigkeit widmete er sich mit größter menschlicher Anteilnahme und tiefem Verantwortungsbewusstsein. Für die unermüdliche Geduld, mit der er seine Schützlinge betreute, sprechen die unzähligen Lebensläufe, die er in ihrem Interesse verfasste. Eine Charakteristik aus jener Zeit lautet:

 

„In seinem Benehmen war er äußerst einfach, natürlich und bescheiden. Wenn man ihn kennen lernte, wäre man nie auf den Gedanken gekommen, einen `Prominenten´ der Partei, einen der bekanntesten revolutionären Kämpfer vor sich zu haben ... Er war meist still, folgte der Unterhaltung mit dem ihm eigenen gütigen, etwas verschmitzten Lächeln, bildete sich aber dabei ein genaues Urteil über den anderen, mit de er meist das Richtige traf ... Seine von der früheren Schlosserarbeit her gehärteten Hände waren gute Hände, zu denen Mann sofort Vertrauen fasste. ... Wer Rat und Hilfe brauchte, kam zu ihm ... Er machte dann nicht viele Worte, doch übertrug sich seine große menschliche Wärme, seine innere Sicherheit und Ruhe auf jenen, und ich sah keinen, der mutlos von ihm ging ... Es musste schon etwas Besonderes sein, um ihn aus seinem harmonischen Gleichgewicht zu bringen. Dann aber war er auch wie ausgewechselt ... Sein Gesicht wurde hart, verschlossen, wie aus Stein gemeißelt. Die ausgeprägten Backenknochen traten noch mehr hervor ... Aus solche Augenblicken weiß ich, dass es in ihm Härten, rasende Energien gab, die einmal entfesselt, den anderen unerbittlich treffen konnten ... Aber nie ging es ihm um die eigene Person, sondern stets nur um die Sache, der sein Leben galt.“

 

Doch auch in Zürich griff eine ihm missgünstig gesinnte bürokratische Clique ein und vergällte ihm seine Arbeit. – Sie machten ihn für Fehler seines Vorgängers verantwortlich, auf die er längst warnend hingewiesen hatte, ohne bei den zuständigen Instanzen in Paris Gehör gefunden zu haben.[10] – Schließlich wurde er seiner Funktion enthoben und kaltgestellt. – Diese Angelegenheit hatte ihn tief gekränkt; besonders die Art und Weise, wie sie gehandhabt wurde. – Sie vor das Zentralkomitee zu bringen, fuhr er Mitte Juni nach Paris.

 

Der Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges – Juli 1936 – bereitete allen diesen Auseinandersetzungen ein Ende. – Als einer der ersten eilte Beimler anfangs August (36) ach Barcelona. Dort organisierte er im Auftrag der Partei die erste Formation deutscher antifaschistischer Freiwilliger, die unter dem Namen „Centuria Thälmann“ an der Seite der spanischen Republikaner kämpfte.

 

Aus der revolutionären Hochflut dieser ersten Monate schrieb er begeistert, als deren Politkommissar: „... Die Stimmung an der Front wie im Hinterland ist unbeschreiblich ... wer da an einem Sieg der Volksfront über die Faschisten zweifelt, ist blind...“

Hier kommen alle seine Gaben zur vollsten Entfaltung. Er ist seinen Milizionären nicht nur Vorgesetzter, sondern vor allem treuester Kamerad und Freund, zu dem sie das unbedingteste Vertrauen haben, der alle Gefahren mit ihnen teilt. Stets ist er bei ihnen in den vordersten Gräben und sie wissen: auf „den Hans“ können sie sich verlassen – er steht für sie alle ein. Wenn er auf das Plaza Catalunia das Wort ergreift, herrscht augenblicklich Totenstille. Gespannt lauscht die versammelte Menge seiner Rede, bis sie, wenn er geendet hat, in stürmischen Jubel ausbricht. –

 

Doch die revolutionäre Stimmung verebbte, als mit den Waffenlieferungen der Sowjetunion, anfangs November (36) zugleich GPU-Agenten eintrafen, den politischen Bedingungen Stalins Nachdruck zu verschaffen. – Ein reaktionärer Kurs setzte ein. Die Verfolgungen der „Andersdenkenden“ begannen. Sozialisten, Anarchisten, Poumisten[11], Trotzkisten, die noch an der Front einträchtig mit den „Linientreuen“ Schulter an Schulter kämpften und fielen, wurden im Hinterland verhaftet, ins Gefängnis geworfen und ermordet. – Beimler konnte sich diesem Kurs nicht gleichschalten; er widersprach seinem menschlichen Gefühl, seinem rechtlichen Sinn. Er machte aus seiner Gesinnung keinen Hehl und geriet dadurch in Konflikte, für die es keine Kompromisse mehr gab. –

 

Von den moskauhörigen Funktionären des „Colons“ seiner aufrechten Haltung wegen verdächtigt, seines Prestiges wegen gefürchtet, witterten sie in ihm eine revolutionäre Gefahr, die beseitigt werden musste. Damit war sein Todesurteil gesprochen. –

 

Zum politischen Kommissar aller deutschen Bataillone der internationalen Brigade ernannt, wurde er anfangs November (1936) nach Madrid gerufen. Dort erwartete ihn der Tod. – Er fällt am 1.Dezember 1936 bei einem Inspektionsgang zu seinen Leuten in der Universitätsstadt Madrids, in einem Hohlweg, durch eine aus dem Hinterhalt abgeschossene Kugel der GPU.[12] – Mit ihm sein treuer Kamerad Louis Schuster, der ihm zu Hilfe eilen wollte. Nur der dritte Beteiligte, der GPU-Agent Richard, kehrte von diesem tragischen Gang heil zurück.[13] Kurz zuvor aus Moskau gekommen, war er Beimler in Madrid zur Seite beordert worden! –

 

Antonia Stern, Paris 1957

 

Die Falschmünzer

 

Zum 20. Todestag Hans Beimlers, gefallen am 1.Dezember 1936, in der Universitätsstadt Madrids, als Opfer seiner revolutionären Gesinnung.

 

Im Verlauf der Rehabilitierungswelle, die den Enthüllungen Khrouchtchèvs auf dem XX.Parteikongress der USSR folgte, wurde auch der Name Hans Beimlers wieder an`s Licht gezogen und dem zwiespältigen Dunkel, mit dem ihn die Partei umhüllt hatte, entrissen. Er sollte eine neue Prägung bekommen? – Beimlers Name hatte das nicht nötig. – Es gab und gibt keinen von besseren revolutionären Klang! – Seine tollkühne Flucht aus dem KZ-Lager Dachau, zu Hitlers Zeiten, seine Organisierung der „Centuria Thälmann“ in Spanien, der ersten Formation deutscher Freiwilliger antifaschistischer Kämpfer, die sich, an der Seite der Republikaner durch ihre Tapferkeit hervor tat, bezeugen, wes Geistes Kind er war. – Er war ein Mann der Tat! – Er meinte es ernst mit der Erfüllung der revolutionären Ideale. Er trat (unter anderem) für die sofortige Verteilung des Grundbesitzes an die armen Bauern in Spanien ein. Er passte in die ungeheuren revolutionären Wogen der ersten Monate des spanischen Bürgerkrieges und fand dort seine Persönlichkeit den angemessenen Boden. – Der unbeschreibliche Enthusiasmus jener ersten Epoche trug ihn auf die Höhe der Beliebtheit und er genoss in der kurzen Zeit, die ihm dort vergönnt war, noch zu leben, eine geradezu legendäre Popularität. – Allein diesem revolutionäre Klima setzte Stalin ein Ende. Mit den Waffenlieferungen der Sowjet-Union (anfangs November 36) hatte er zugleich seine politischen Bedingungen gestellt, denen er durch die Entsendung von GPU-Agenten Nachdruck zu verschaffen wusste. Die revolutionäre Hochflut wurde eingedämmt und verebbte. Die Errungenschaften der ersten Monate waren in Frage gestellt, die revolutionäre Einheit der verschiedenen Parteien untergraben. –

Neue Parolen wurden ausgegeben, ein reaktionärer Kurs setzte ein. Beimler widersprachen diese Methoden zutiefst. Er machte aus seiner Gesinnung keinen Hehl. Er blieb sich selber treu und sollte seine aufrechte Haltung mit dem Leben. Längst witterten die moskauhörigen bürokratischen Funktionäre der Partei auf dem „Colon“ (Sitz der Ausländerabteilung der komm. Partei in Barcelona) in ihm eine revolutionäre Gefahr. Er musste beseitigt werden, und der Befehl aus Moskau dazu ließ nicht auf sich warten.

Den 1. Dezember 1936 fällt Beimler in der Universitätsstadt Madrids fern dem eigentlichen Kampfgetümmel, einer aus dem Hinterhalt abgeschossenen Kugel zum Opfer. Indizien ergaben, dass sie dem Geschoss der GPU entstammte.[14] – Mit ihm zugleich fällt sein treuer Kamerad Louis Schuster, in dem Augenblick, da er ihm zu Hilfe eilen will. Nur der dritte Beteiligte an diesem tragischen Gang, der GPU-Agent Richard [Staimer], der aus Moskau gekommen und Beimler an die Seite gestellt worden war, kehrte heil zurück! –

Dem tote Beimler wird die Partei noch ein riesiges offizielles Begräbnis gewähren (das mit zur Tarnung dieses Mordes dient).

Dann wird es still um seinen Namen, und der Vorhang des Schweigens fällt über Beimler, an den zu rühren, man sich allein schon der GPU verdächtig macht und ihrer Verfolgung gewiss ist. Es ist nur natürlich, dass sich dieses Schweigen auch bei den Spanienbüchern der offiziellen Parteischriftsteller fortsetzt. So schreibt Ilja Ehrenburg in seinem „No pasaràn“ (erschienen auf deutsch 1937 in London, Malik-Verlag) zwar ein großes Kapital, das der Centuria Thälmann gewidmet ist, bringt es aber fertig, den Namen ihres Begründers und Organisators (Beimlers) nicht ein einziges Mal zu nennen.[15] --- Nicht anders Ludwig Renn.[16] In seinem kürzlich erschienenen, aber schon vor Jahren geschriebenen, doch immer wieder den Schwankungen der Parteilinie nach umgeschriebenen Buch „Der spanische Krieg“ (seine endgültige, jetzige Fassung stammt von 1954) gilt auch ein Kapitel dem Bat. Thälmann.[17] Wagt er es auch nicht, Beimlers Name vollkommen zu unterdrücken – (zuviel Tinte ist darüber inzwischen geflossen!), so versteht er es doch, die Rolle, die er in Spanien spielte, derartig zu verkleinern und weiß ihm mit ein paar wenigen, so nichtssagenden Sätzen abzutun, dass man sich wirklich fragt, wie es nur möglich war dass eine so unbedeutende Persönlichkeit nicht nur die Centuria und das Bat. Thälmann organisierte, sondern auch noch politischer Kommissar aller deutschen Bat. der intern. Brigaden war! – Es war eben nötig, seine Rolle möglichst zu minimisieren, um das darauf erfolgte Schweigen der Partei zu erklären. Doch nicht genug damit: Renn scheut sich nicht, in dem Bestreben, es der Partei möglichst recht zu machen, die unlautersten Gerückte wieder aufzunehmen, die gleich nach Beimlers Flucht aus Dachau in Umlauf gesetzt wurden, und die es wagten, die Art, wie er sie bewerkstelligt hatte (ohne jede äußere Hilfe) in Zweifel zu ziehen. Er legt diese gemeine Bemerkung einem dafür gestellten Komparsen in den Mund und tritt ihr nicht entgegen! - -

Jetzt wird sich Ludwig Renn wohl die Haare raufen und gäbe gewiss viel darum, könnte er das Geschriebene ungeschrieben machen. ..... denn: inzwischen wurde Beimler von der Partei `rehabilitiert´! – Zu diesem Zweck wurde eine Medaille mit seinem Bild und seinem Namen geprägt, die den ehemaligen deutschen Spanienkämpfern als Auszeichnung zugedacht worden ist! – Falsche Münze ... falsche Prägung ... falsche Ehrung ... falscher Glanz![18]

 

Wie lange wird er den Schwankungen einer in Fäulnis geratenen, von Wortbuch zu Wortbruch gleitenden Partei standhalten, die eben noch ihren Satelliten die Unabhängigkeit versprach, um gleich darauf das heroische ungarische Volk in seine Ringen um die Freiheit in einem nie gesehenen Blutbad zu ersticke? –

 

Nein – diese „Ehrung“ ist Beimlers Namen unwürdig. – Denn der seine währt, er ist Symbol echter Solidarität, das Wahrzeichen unermüdlichsten Kampfes um Freiheit und Recht, dem sein ganzes Leben galt, für den er sein Leben ließ. ---

 

Antonia Stern, Paris Dezember 1956

 

(Editiert und mit Fußnoten versehen von Dr. Nikolaus Brauns, 2002/2003 München)



[1] Die Violinistin Antonia Stern stammte aus einer Schweizer jüdischen Familie. Ihr Vater war der bekannte Historiker Alfred Stern, ein Bekannter von Albert Einstein. A. Stern musizierte auch hin und wieder mit Einstein. Nach dem Krieg lebte sie in Paris, wo sie 1961 verstarb. (Angaben zur Biographie von Michael Uhl, Tübingen) Politisch scheint A. Stern dem revolutionären Sozialismus antistalinistischer Prägung nahe zu stehen. 1935 lernte sie Hans Beimler – eventuell im Rahmen des von der Züricher Außenstelle der Roten Hilfe Deutschlands initiierten „Schweizerischen Komitees zur Hilfe für notleidende Frauen und Kinder in Deutschland“ kennen. Die beiden verband fortan eine enge Beziehung. Im IISG in Amsterdam befindet sich das unveröffentlichtes Manuskript einer 1939 verfassten Beimler-Biographie mit dem Titel „Hans Beimler: Dachau-Madrid“. 

Der vorliegende Text wurde unter der Überschrift „Hans Beimler“ bereits im Band „Das Gewissen entscheidet – Berichte des deutschen Widerstandes von 1933-1945 in Lebensbildern veröffentlicht, der 1959 von Annedore Leber im Zusammenarbeit mit Willy Brandt und Karl Dietrich Bracher bei der Büchergilde Gutenberg Verlagsgesellschaft MGB Frankfurt/Main herausgegeben wurde. Die Rechte liegen beim Mosaik-Verlag GmbH, Berlin.

[2] Ab hier wurde vorliegende Text unter der Überschrift „Hans Beimler“ bereits im Band „Das Gewissen entscheidet – Berichte des deutschen Widerstandes von 1933-1945 in Lebensbildern veröffentlicht, der 1959 von Annedore Leber im Zusammenarbeit mit Willy Brandt und Karl Dietrich Bracher bei der Büchergilde Gutenberg Verlagsgesellschaft MGB Frankfurt/Main herausgegeben wurde. Die Rechte liegen beim Mosaik-Verlag GmbH, Berlin.

[3] Beimlers unehelicher Vater war Landarbeiter. In Waldthurn (Oberpfalz) besuchte Beimler die Volksschule. Die Schlosserlehre absolviert er in München.

[4] Beimler blieb bis 1923 in Haft.

[5] Beimler hatte sich der KPD bei ihrer Gründung Anfang Januar 1919 angeschlossen. Nach Niederschlagung der Räterepublik leitete er die Organisation der Partei in München-Nymphenburg. Auf Beschluss der Vollversammlung der Münchner Betriebsräte beteiligte sich Beimler an der ersten deutschen Arbeiterdelegation in die Sowjetunion (14.Juli – 28.August 1925). Ab Juni 1925 gehörte er der Bezirksleitung Südbayern der KPD an. Bis März 1928 war er als Mitglied der Bezirksleitung für Gewerkschaftsarbeit und die Arbeit in den Massenorganisationen zuständig. Von April 1928 bis Frühjahr 1932 leitete Beimler den Unterbezirk Augsburg der KPD. Im Frühjahr 1932 kehrte Beimler nach München zurück und wurde Politischer Sekretär des KPD Bezirks Südbayern. Zwischen Dezember 1929 und August 1932 gehörte er dem Augsburger Stadtrat an. Dem Bayerischen Landtag gehörte Beimler – entgegen der Darstellung A. Sterns – zwischen April und Juli 1932 an; vgl. K. Haferkorn, s.v. Hans Beimler, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung – Biographisches Lexikon, Berlin 1970; 39-40.

[6] Am 7. Februar 1933 nahm Beimler an der illegalen Funktionärstagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals bei Berlin teil. Beimlers Verhaftung erfolgte am 11. April, seine Einlieferung ins KZ Dachau am 25. April.

[7] Ehemaliger Vorsitzender der kommunistischen Fraktion im bayerischen Landtag.

[8] Centa Beimler wurde bis 1937 in Schutzhaft gehalten und anschließend noch mehrfach verhaftet. Am 20.6.1944 wurde sie vom Oberlandesgericht München wegen Beihilfe der Vorbereitung zum Hochverrat zu einem Jahr und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach dem Krieg heiratete Centa Beimler ihren Genossen Hans Herker und war in der KPD, später in der DKP sowie der VVN aktiv. Sie starb 2000, vgl. Centa Herker-Beimler: Erinnerungen einer Münchner Antifaschistin, VVN-BdA München 1999.

[9] Beimler wurde Leiter der Züricher Außenstelle der Roten Hilfe Deutschlands, die für die Betreuung der süddeutschen Bezirke und deren Belieferung mit illegalen Schriften und Geldern für die Gefangenenhilfe zuständig war.

[10] Gemeint ist die Affäre um dem Gestapo-Spitzel Max Troll, genannt Theo, der als Instrukteur der KPD-Leitung und Kontaktmann der Züricher Außenstelle der Roten Hilfe 1935/36 nahezu den gesamten Münchner Widerstand auffliegen ließ. Herbert Wehner  erklärte später, die Verantwortung für „Theo“ läge beim Generalsekretär der Roten Hilfe Sepp Miller sowie bei Beimlers Vorgänger Walter Fisch, die trotz mehrfacher Warnungen „bodenlos leichtfertig [... ] die Unterstützungen insgeheim fortgesetzt“ hätten, anstatt eine Untersuchung einzuleiten, um sich die scheinbar erfolgreiche Arbeit in Bayern nicht stören zu lassen; vgl. Herbert Wehner, Zeugnis, Halle/Leipzig 1990, 172.

[11] Gemeint sind die Anhänger der linkssozialistischen Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit POUM.

[12]Spätere Untersuchungen der Staatssicherheit der DDR, wie auch nach 1989 von Historikern in kommunistischen Archiven in Spanien und der Sowjetunion haben keine Beweise für einen GPU-Mord erbracht. Anscheinend fiel Beimler tatsächlich der Kugel eines faschistischen Scharfschützen abseits der Front zum Opfer.

[13] Gemeint ist Generalmajor Richard Staimer, (1907 – 1982); KPD-Mitglied seit 1924, in Spanien 1932-39; Schwiegersohn Wilhelm Piecks; in der DDR zuerst Polizeioffizier, 1955-1963 Vorsitzender der Gesellschaft für Sport und Technik, dann im Ministerium für Nationale Verteidigung.

[14] Der Historiker Michael Uhl, der die heute in Moskau aufbewahrten Unterlagen des KPD-Abwehrapparates in Spanien ausgewertet hat, geht davon aus, das Beimler tatsächlich von einem Faschisten erschossen wurde.

[15] Ilja Ehrenburg: No pasaràn“, London 1937.

[16] Der Schriftsteller Ludwig Renn war ab Oktober 1936 Kommandeur des Thälmann-Bataillons und später Stabschef des XI.Internationalen Brigade.

[17] Ludwig Renn, Der Spanische Krieg, Berlin 1955.

[18] Bereits 1946 würdigte ein Artikel im „Neuen Deutschland“ Hans Beimler und in den frühen fünfziger Jahren wurden FDJ-Gruppen nach ihm benannt.