junge Welt 16.12.2006 / Ausland / Seite 2
Nach der deutschen Bundesregierung hat am Freitag auch der
Schweizer Bundesrat die grundsätzliche Bereitschaft zur Vergabe von
Exportrisikogarantien für den Bau des Ilisu-Großstaudamms
in der Osttürkei erklärt. Den vier zum Ilisu-Konsortium
gehörenden Firmen Alstrom, Maggia, Stucki und Colenco wurde eine Absicherung in
Höhe von 225 Millionen Franken zugesagt. Voraussetzung sei die Einhaltung von
Bedingungen auf türkischer Seite, die sich auf Vereinbarungen der OECD über
Umwelt und Exportkredite sowie Weltbank-Standards stütze. Erst diese Woche
hatten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen der Schweizer
Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard eine Petition mit 37 000
Unterschriften gegen die Vergabe von Exportrisikogarantien für das Ilisu-Projekt überbracht.
»Der Bau des Staudamms wird ein Angriffsziel darstellen, mit dem Ziel, ihn zu
verhindern«, kündigte jetzt das Hauptquartier der aus der Arbeiterpartei
Kurdistans PKK hervorgegangenen Volksverteidigungskräfte (HPG) gegenüber junge
Welt an. Daß dies nicht etwa eine leere Drohung ist, habe sich Ende September
mit einem Angriff auf die Wachmannschaft des Staudammprojektes gezeigt, bei dem
drei Soldaten getötet wurden. »Der Bau eines solchen Staudammes wird das Erbe
einer 10 000 Jahre alten Zivilisation zunichte machen. Die Reichtümer
Mesopotamiens werden unter Wasser verschwinden; das Gleichgewicht von Ökologie
und Natur in Kurdistan wird beeinträchtigt; die Bevölkerung wird vertrieben.«
Die Guerilla warnte europäische Banken und Unternehmen davor, sich an der
Zerstörung der kurdischen Geschichte und Kultur zu beteiligen. Schon aufgrund
der laufenden Militäroperationen im Gebiet des Staudammbaus seien ausländische
Mitarbeiter in großer Gefahr. »Sollte diesen Ingenieuren und Mitarbeitern
aufgrund der geführten Operationen etwas zustoßen, sind nicht wir hierfür
verantwortlich«, so die HPG. Vielmehr setze der türkische Staat das europäische
Personal als Schutzschild ein, erklärte die Guerilla.